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Arthur Schopenhauer

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Arthur Schopenhauer : Religion 

 Zum Verhältnis von Religion zur
Philosophie - Metaphysik - Wissenschaft

Arthur Schopenhauer zur Grundlage der Religion

Wenn nämlich dem Menschen, in früher Kindheit, gewisse Grundansichten und Lehren mit ungewohnter Feierlichkeit und mit der Miene des höchsten, bis dahin noch nie gesehenen Ernstes wiederholt vorgetragen werden, dabei die Möglichkeit eines Zweifels daran ganz übergangen, oder aber nur berührt wird, um darauf als den ersten Schritt zum ewigen Verderben hinzudeuten; da wird der Eindruck so tief ausfallen, daß in der Regel, d. h. in fast allen Fällen, der Mensch beinahe so unfähig seyn wird, an jenen Lehren, wie an seiner eigenen Existenz, zu zweifeln; weshalb dann unter vielen Tausenden kaum Einer die Festigkeit des Geistes besitzen wird, sich ernstlich und aufrichtig zu fragen: ist Das wahr?  (P II, 349 f.)

Zitatquellen ( Auszüge aus Wagners Schopenhauer - Register ):

  • Religion (Hauptstellen)
    > W II 180 ff.; P II 347-424 (Kap. XV. “ Über Religion ”).
     
  • Die Religion ist die zweite Art der Metaphysik, welche ihre
    Beglaubigung nicht im Nachdenken und in Gründen, sondern
    in der Offenbarung und Autorität hat.
    Die Religion ist Glaubenslehre,
    die Philosophie Überzeugungslehre.
    > W II 180 f.; P II 349, 359.
    Die Religion bedarf keiner Beweise; sie verlangt bloß Glauben.
    > W II 183 f.
    Es ist sogar gefährlich, ihr eine andere Beglaubigung
    als durch die Offenbarung zu geben.
    > W II 181 f.
    Will man sie aus der Vernunft begründen, so gerät sie unter
    das Gewehrfeuer des Skeptizismus und das schwere Geschütz
    der Kritik der reinen Vernunft.
    W II 185; (P I 286 f.).
     
  • Geistliche sind fest überzeugt von den Satzungen
    unserer Kirche und doch richtet sich diese Überzeugung
    bloß nach dem Lande, wo jeder geboren ist. Das Volk
    nimmt überall auf Treu und Glauben die Überzeugungen
    dieser Lokal-Überzeugten  an.
    > P II 352.
     
  • Religion und Philosophie sollten jede auf ihrem Gebiete bleiben;
    statt dessen ist man bemüht, in der Religionsphilosophie, eine
    Fusion beider zu bewerkstelligen. Man sollte entweder glauben
    oder philosophieren. 
    > W II 185; P I 155 f.; P II 418.
    Religionsphilosophie bedeutet ein philosophisches System,
    welches in seinen Resultaten mit irgend einer positiven Religion übereinstimmt.
    > W II 185; P I 155 f.
     
  • Religion und Wissenschaft sind natürliche Feinde, die Krieg
    auf Leben und Tod gegeneinander führen. Es ist ein Irrtum zu
    glauben, dass die Wissenschaften immer weiter fortschreiten
    können, ohne die Religion zu unterminieren und zu verdrängen.
    > P II 419; 369 ff., 386 f., 420; G 122; N XI f.; W II 182; P I 287.
    Die Religion wird durch fortschreitende Verstandesbildung
    zurückgedrängt.
    > P I 160.

    Die Religion ist dem Volke notwendig und ist ihm eine
    unschätzbare Wohltat. Wenn sie jedoch der Erkenntnis der
    Wahrheit sich entgegenstellen will, so muss sie mit möglichster Schonung bei Seite geschoben werden.
     > W II 185.
     
  • Bloße, auf Autorität, Wunder und Offenbarung gestützte
    Glaubenslehren sind nur dem Kindesalter der Menschheit
    angemessen.
    > P II 371.
    Religionen sind Kinder der Unwissenheit, die ihre Mutter
      nicht lange überleben.
    > P II 419, 369, 376, 420.
    Religionen sind wie die Leuchtwürmer: sie bedürfen der
    Dunkelheit, um zu leuchten.
    > P II 369; G 122.
     
  • Nur solche Religionen gehen unter, die keine Urkunden haben.
    > P II 420, 388.
     
  • Eine Religion muss viele und seltene Eigenschaften vereinigen:
    daher sollte man nicht so bereitwillig mithelfen, sie zu
    unterminieren.
    > P II 362 f.
     
  • Zu verlangen, dass ein großer Geist die Dogmen irgend einer
    Religion im eigentlichen Sinne zu seiner Überzeugung mache,
    ist wie zu verlangen, dass ein Riese den Schuh eines Zwerges
    anziehe.
    > W II 185 f.
     
  • Die Übereinstimmung in den metaphysischen Grundansichten
    ist die Hauptsache und nur unter den hierin Gleichgesinnten
    ist dauernde Gemeinschaft möglich. Die Völker scheiden sich
    viel mehr nach den Religionen als nach den Regierungen oder
    selbst nach den Sprachen.
    > P II 368; W II 182.
     
  • Selbst wenn eine wahre Philosophie die Stelle der  Religion
    angenommen hätte, so würde sie von allerwenigsten 9/10 der
    Menschen doch nur auf Autorität angenommen werden, also
    wieder Glaubenssache sein.
    > P II 359.
     
  • Eine wahre Religion im eigentlichen Sinne kann es gar nicht
    geben. Es ist ganz dieser Welt entsprechend, dass die höchste
    und heiligste Wahrheit nicht anders als mit der Lüge versetzt
    auftreten kann. Könnte einst die Religion durch die Wahrheit
    ersetzt werden, so wäre dies die Euthanasie der Religion.
    > P II 360 f.
     
  • Die Religion ist ein notwendiges Übel, dessen Notwendigkeit
    auf der Geistesschwäche des Menschen beruht.
    > P II 361.
     
  • Religionen können als Volksmetaphysik bezeichnet werden.
    > W II  181; E 202; P I 152, 305;
    P II 348, 362, 367 f., 368, 388, 535.
     
  • Die Religion wendet sich zunächst an das metaphysische
    Bedürfnis des Menschen, dann aber auch an das moralische
    Bewusstsein. Sie gewährt eine unerschöpfliche Quelle des
    Trostes und der Beruhigung.
    > P II 347 f., 360 ff.
     
  • Die Philosophie hat die Verpflichtung, in allem, was sie sagt,
    im eigentlichen Sinne wahr zu sein. Die Religion hingegen hat
    nur die Verpflichtung, im allegorischen Sinne wahr zu sein.
    Die Religion ist die der Fassungskraft des Volkes angemessene,
    in allegorischem Gewande auftretende Wahrheit.
    > W II 183 ff., 723; N 140; P I 160;
    P II 348, 357 ff., 362, 366, 368, 377, 387, 389 f., 417 f.
     
  • Mythos und Allegorie ist das eigentliche Element der Religion.
    An den Religionen ist eigentlich alles Mysterium.
    > P II 358 f., 389 f.; W II 183, 701 f.
     
  • Der Wert einer Religion hängt von dem größeren oder
    geringeren Gehalt der Wahrheit ab, den sie unter dem Schleier
    der Allegorie, in sich trägt.
    > W II 186, 529, 716.
     
  • Der Grundunterschied der Religionen liegt nicht darin, ob sie monotheistisch, polytheistisch oder atheistisch sind, sondern
    nur darin, ob sie optimistisch oder pessimistisch sind.
    > W II 187; P II 415. 

S. auch > Arthur Schopenhauer : Atheismus

Anmerkungen

Das o. a. Kap. XV Über Religion in P II (S. 347 ff.) beginnt mit einem Dialog (§ 175) zwischen zwei Diskutanten, welche Demopheles ( Der Freund des Volkes) und Philalethes (Der Freund der Wahrheit) heißen, und damit bereits durch ihre Namen von Schopenhauer charakterisiert wurden. Beide vertreten einander im Grunde gegensätzliche  Meinungen zum Thema Religion. Während Demopheles den  Wert der Religionen hervorhebt, weist Philalethes mehr auf deren Schattenseiten hin. So hat Schopenhauer in diesem Dialog meisterhaft dargestellt, welche Argumente für bzw. gegen die Religion sprechen. Dieses Pro und Contra ist, zumindest ansatzweise,  schon in seinen Manuskriptbüchern zu finden  (Adversaria, 1828, in: Arthur Schopenhauer. Der handschriftliche Nachlaß, hrsg. v. Arthur Hübscher, dtv klassik. München 1985, Band 3, S. 408 f.).

Was Schopenhauer selbst betrifft, so bezeichnete er sich und seine Anhänger als Buddhaisten, was verständlich ist, denn in W II (S. 186) schrieb er: Wollte ich die Resultate meiner Philosophie zum Maaßstabe der Wahrheit nehmen, so müßte ich dem Buddhaismus den Vorzug vor den anderen zugestehen.   Jeden Falls muß es mich freuen, meine Lehre in so großer  Uebereinstimmung mit einer Religion zu sehen .... .

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