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Upanishaden

Upanishaden : Symbol OM

OM (OUM ) ist im Hinduismus das umfassendste und erhabenste Symbol spiritueller Erkenntnis und war bereits in den Upanishaden als Heilige Silbe von zentraler Bedeutung. So schrieb Arthur Schopenhauer, dass  “in manchen  Stellen” der Upanishaden “Anleitung gegeben wird, sich unter stillem innern Aussprechen des mysteriösem OUM, in das eigene Innere zu versenken, wo Subjekt und Objekt und alle Erkenntnis wegfällt ”.(1)

 Die von Schopenhauer überaus geschätzten altindischen Upanishaden gehören zu den wichtigsten philosophisch-religiösen Schriften des Hinduismus, ja der gesamten Geistes- geschichte. Die lange Zeit nur mündlich überlieferten Texte wurden jedoch im alten Indien nur wenigen Auserwählten offenbart. “ Darüber müssen wir beide uns allein verständigen, nicht gehört unser Wissen vor die Leute.” (2) Diese Worte, gesprochen vom weisen Yajnavalkya zu einem seiner Schüler, sind kennzeichnend für den esoterischen Charakter der Upanishaden. Bereits das Sanskritwort Upanishad deutet darauf hin, dass es sich bei den Upanishaden weitgehend um esoterische und deshalb für Uneingeweihte schwer verständliche Texte handelt. So erklärt hierzu das “Lexikon der östlichen Weisheitslehren”: upa = “nahe bei”, ni = “nieder”, sad = “sitzen”, “sich nahe zu jemandem niedersetzen”, d. h. zu Füßen des spirituellen Meisters (Sanskrit: Guru) sitzen, um die vertrauliche, geheime Lehre zu empfangen.

Die Upanishaden sind als Schlußteil der Veden (Sanskrit: Wissen) die bedeutendste philosophische Grundlage im Vedanta (Zusammensetzung der Sanskritwörter Veda und anta = “das Ende”, also Schlußbetrachtung der Veden). Der Vedanta nimmt innerhalb des Hinduismus eine zentrale Stellung ein. So stellte zum Vedanta und damit zu den Upanishaden einer der kompetentesten Kenner der indischen Religionen und Philosophie, Helmuth von Glasenapp, fest, dass von den Systemen des Hinduismus “heute der Vedanta unstreitig das bedeutendste” sei. Es könne “geradezu als die Philosophie des Hinduismus betrachtet” werden.(3)

Der Hinduismus hat eine lange Vorgeschichte: Die ältesten Teile der Veden reichen wahrscheinlich bis etwa 1500 v. Chr. zurück. Wohl alle Richtungen des Hinduismus stimmen darin überein, dass die über einen langen Zeitraum nur mündlich überlieferten Veden auf Erkenntnissen beruhen, die weisen Sehern ( Rishis ) in tiefer Meditation enthüllt wurden. Aus diesen Offenbarungen entwickelten sich die philosophisch sehr tiefen Gedankengänge des Brahmanismus, aus dem sich später der Hinduismus herausbildete. Sie sind Grundlage der Upanishaden, die vermutlich etwa um 800-500 v. Chr. entstandenen waren.

Die ältesten Upanishaden sind trotz ihres philosophischen Gehaltes noch deutlich geprägt von magischen Vorstellungen, die dann aber mehr und mehr abgelöst wurden von einer Vielfalt philosophischer  Betrachtungen, die schließlich in der Erkenntnis ihren Höhepunkt erreichten, dass Brahman und Atman im Grunde eins sind! Hierbei wird Brahman überwiegend unpersönlich, mitunter aber auch persönlich, also gleichsam wie ein Gott, verstanden als der Urgrund allen Seins, als das alles durchdringende Wesen der Welt. Atman ist das eigentliche Selbst, also gewissermaßen die Seele, die - und das ist die entscheidende Erkenntnis - mit Brahman zutiefst identisch ist. Hierauf bezieht sich das von Arthur Schopenhauer aus den Upanishaden zitierte zentrale Wort für die letzte Wahrheit: Tat tvam asi - “Das bist du!”.

In diesem Sinne deutet der Indologe Heinrich Zimmer eine der zentralen Lehren der Upanishaden (4) : “Wenn die eine innere Substanz aller Dinge im eigenen Innern erkannt ist, dann werden die verschiedenen Masken, die sie annimmt, transparent. Jedes Verstehen, jede Sympathie und jede Liebe beruht auf der wesenhaften Identität des ´Erkenners  und des  ´Erkannten`. Haß entsteht nur aus der Illusion der Verschiedenheit. ”(5) Hierbei ist bemerkenswert, dass Jahrtausende später Arthur Schopenhauer in seiner Preisschrift über die Grundlage der Moral eine metaphysische Begründung der Ethik gab, die geradezu erstaunlich mit dieser Interpretation der Upanishaden übereinstimmt (6)

Obwohl manche, wohl eher wissenschaftlich als spirituell orientierten Indologen die hohe Wertschätzung der Upanishaden durch Schopenhauer für übertrieben halten, ist sie nicht unberechtigt, denn wie das oben erwähnte “ Lexikon der östlichen Weisheitslehren ”  hervorhebt:  “ Was sie (die Upanishaden) besonders auszeichnet und für den Wahrheitssucher so wertvoll macht, ist ihre gewaltige Gedankenfreiheit und Ausweitung in die Transzendenz. Wie ´Schlingpflanzen` lehnen sie sich an die vorangegangenen Teile des jeweiligen Veda an und bewahren doch ihre volle Selbständigkeit und Freiheit von allen Erstarrungen priesterlicher Dogmen. In ihrem Mittelpunkt steht immer wieder die Bedeutung von Brahman und Atman, die Erkenntnis der Identität der  beiden, sowie die Bedeutung der heiligen Silbe OM.” 

Wie kein anderer bedeutender westlicher Philosoph dürfte Arthur Schopenhauer dazu beigetragen haben, den Upanishaden die Tore des Abendlandes zu öffnen. Anders als zu Zeiten Schopenhauers sind heute jedem die Upanishaden durch gute Übersetzungen, und zwar direkt aus dem Sanskrit, leicht und preiswert zugänglich. Ob die schwierigen Texte, die ihren esoterischen Charakter nicht verloren haben, auch verstanden werden, ist eher zweifelhaft. Schopenhauers Philosophie kann aber für  ihr Verständnis eine wesentliche Hilfe sein. 
                                                                                                                                                                                                                      Anmerkungen

(1)  Arthur Schopenhauer, Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Zürich 1977, Band IV: Die Welt als Wille und Vorstellung II, S. 715, Anm.

(2)  Brihadaranyaka Upanishad 3.2.13.

(3)  Helmuth von Glasenapp, Hinduismus , in: Die nichtchristlichen Religionen,  Frankfurt a. M. 1957, S. 160. Der Vedanta ist im Hinduismus lt. von Glasenapp
(a.a.O., S. 159 f.) eines der sechs philosophischen Systeme
(darshanas , d. h.  Anschauungsweisen).
Näheres s.  Helmuth von Glasenapp,
Die Philosophie der Inder, 3. Aufl.,
Stuttgart 1974, S. 136 ff.  

(4)  Brihadaranyaka Upanishad 2.4.5.

(5)  Heinrich Zimmer, Philosophie und Religion Indiens,
1. Aufl., Zürich 1973, S. 329, Anm. 3.

(6)  Arthur Schopenhauer, a. a. O., Band VI: Die beiden Grundprobleme der Ethik / Preisschrift über die Grundlage der Moral, § 22: Metaphysische Grundlage.                                                                                                                                                                             

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