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Schopenhauer hat jedenfalls die ernstliche Absicht deutlich zu sein, sonst wäre seine Schreibweise nicht so bündig, wie sich's ein Mathematiker nur wünschen könnte. Zudem ist er, mein' ich, immer intereßant, obgleich er stets daßelbe Thema variirt; denn dieses Thema ist ja unser Fleisch und Blut.(1) |
Obiges Zitat ist von Wilhelm Busch. Viele schätzen ihn als Humoristen, als Schöpfer von “Max und Moritz”, aber wohl nur wenige kennen ihn als Philosophen. Schon in jungen Jahren, während er im Hause seines Onkels, eines Pfarrers, lebte, erwies sich, dass der protestantische Geistliche in seinem Neffen “einen philosophischen Skeptiker und religiösen Freigeist vor sich hatte” (2), zu dessen Lektüre Kant, Darwin und auch Schopenhauer wurden. Fragen nach dem Sinn des Lebens beschäftigten, ja plagten den jungen “Freigeist” - er litt, so seine Selbstdiagnose, an einer “philosophischen Erkältung”(3), von der er zeitlebens Heilung suchte - auch beim Doktor Schopenhauer. Das Verhältnis Arhur Schopenhauers zum Christentum hielt Wilhelm Busch zu Recht für durchaus problematisch, wie aus seinen Altersgesprächen deutlich wird: “Der Schopenhauer wohnt Wand an Wand mit dem Christentum. Nur daß die Wand keine Tür hat.”(4) Über seine Schopenhauer-Lektüre schrieb Busch in einem Brief: “Der kalte Winterwind bläst den Regen durch die sausenden Bäume. Noch immer geh ich rauchend, den Schopenhauer in der einen, den Darwin in der anderen Tasche, den Strom entlang auf dem muthmaßlichen Wege an's Meer, wo vielleicht das Schiff liegt, welches, wie man sagt, nach den seeligen Inseln segelt. ´Die Heiligen sind schon dort`, sagt Schopenhauer. Da aber der Wille untheilbar ist, so hätten sie mich nothgedrungen mitnehmen müßen, und ich wäre schon ´dort, wo ich nicht bin`”.(5) So hatte Wilhelm Busch Zweifel, ob diese “seeligen Inseln” überhaupt zu erreichen sind. Seine Zweifel blieben trotz aller Vertrautheit mit Arthur Schopenhauers Philosophie.(6) Wie sehr er sich in ihr auskannte, geht aus einem seiner anderen Briefe hervor: “Gewißheit giebt allein die Mathematik. Aber leider streift sie nur den Oberrock der Dinge. Wer je ein gründliches Erstaunen über die Welt empfunden, will mehr. Er philosophirt - und was er auch sagen mag - er glaubt. - In meinem elften Jahr verblüffte mich der Widerspruch zwischen der Allwißenheit Gottes und dem freien Willen des Menschen; mit 15 Jahren zweifelte ich am ganzen Katechismus. Seit ich Kant in die Hände kriegte, scheint mir die Idealität von Zeit und Raum ein unwiderstehliches Axiom. Ich sehe die Glieder der Kette in Eins: Kinder, Eltern, Völker, Thiere, Pflanzen und Steine. Und Alle seh ich sie von einer Kraft erfüllt. - Sind Berge, Wellen, Lüfte nicht ein Stück Drum gefällt mir Byron so sehr. - Wie könnte uns auch das Zeug nur so bedeutungsvoll erscheinen, wenn alles nicht aus einer Wurzel wüchse? Die ist, was Schopenhauer den Willen nennt: Der allgegenwärtige Drang zum Leben; überall derselbe, der einzige; im Himmel und auf Erden; in Felsen, Waßer, Sternen, Schweinen, wie in unsrer Brust. Er schafft und füllt und drängt, was ist. Im Oberstübchen sitzt der Intellekt und schaut dem Treiben zu. Er sagt zum Willen: ´Alter! laß das sein! Es giebt Verdruß` Aber er hört nicht. Enttäuschung; kurze Lust und lange Sorge; Alter, Krankheit, Tod, sie machen ihn nicht mürbe; er macht so fort. Und treibt es ihn auch tausend Mal aus seiner Haut, er findet eine neue, die's büßen muß. - Und dieser Wille, das bin ich. Ich bin mein Vater, meine Mutter, ich bin Sie und Alles. Darum giebt es Mitleid, darum giebt's Gerechtigkeit. Natur und Lehre sind verschieden, Natur ist stärker als die Lehre - sagen Sie. Natürlich und gewiß! Der Wille ist der Starke, Böse, Wirkungsvolle, Erste; der Intellekt ist Nr. 2. - Nicht-wollen, Ruhe wär' das Beste. - Wie soll das kommen? - Da steckt's Mysterium.”(7) |
Anmerkungen (4) Zit. aus: Arthur Schopenhauer in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, |
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